Home-Office: von Überwachung, Digitalisierung und Mitarbeiterfürsorge
Home-Office: von Überwachung, Digitalisierung und Mitarbeiterfürsorge
Home-Office: von Überwachung, Digitalisierung und Mitarbeiterfürsorge
Wenn die Corona-Pandemie bereits jetzt eines gezeigt hat, dann das: Home‑Office verzeichnet(e) ein Wachstum wie kaum ein Digitalisierungsprojekt je möglich hätte machen können. Ähnlich schnell wie uns die Pandemie überfallen hat, wurde das Thema „Mitarbeiterüberwachung“ präsent, nicht zuletzt durch den Verkaufsanstieg von Tracking- und Analysetools; Tools, mit denen Aktivitäten z.B. am Notebook gemessen werden können.
Aus rechtlicher Sicht ist das Thema „Mitarbeiterüberwachung“ nicht neu, es wurde aber mit Beginn der Pandemie präsenter: darf ein Arbeitgeber seine Mitarbeitenden überwachen? Diese Frage lässt sich noch relativ klar beantworten: dem Arbeitgeber sind Grenzen gesetzt.
Grundsätzlich sind Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, verboten. Sind Überwachungs- oder Kontrollsysteme aus anderen Gründen erforderlich, sind sie so zu gestalten und anzuordnen, dass die Gesundheit und die Bewegungsfreiheit der Mitarbeitenden nicht beeinträchtigt wird. Diese Grundsätze werden in Art. 26 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArGV 3) festgehalten.
Werden mit Tools Personendaten bearbeitet, d.h. dass anhand der Daten ein Rückschluss auf eine Person möglich ist, sind die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten. Eine Datenbearbeitung hat folgende Grundsätze zu beachten: Rechtmässigkeit, Verhältnismässigkeit, Zweckbindung und Transparenz. Darüber hinaus sind im Hinblick auf die Datensicherheit technische und organisatorische Massnahmen sicherzustellen
Werden Daten ausgewertet, sind drei Arten zu unterscheiden:
- anonyme Auswertung, d.h. nicht personenbezogen, ein Rückschluss auf eine Person ist nicht möglich;
- pseudonyme Auswertung, d.h. personenbezogen, jedoch nicht namentlich;
- personenbezogene Auswertung.
Grundsätzlich ist bei einer Auswertung immer diejenige Form zu wählen, welche für den angestrebten Zweck nicht nur geeignet ist, sondern auch den kleinsten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden darstellt. Während anonyme wie auch pseudonyme Auswertungen unter Berücksichtigung vorgenanntem Rahmen zulässig sind, sind personenbezogene Auswertungen nur bei Vorliegen eines konkreten Missbrauchsverdachts zulässig oder wenn eine pseudonyme Auswertung einen Missbrauch anzeigt und die konkrete Person identifiziert werden soll.
In der Praxis sind die einzelnen Fragen nicht immer ganz einfach zu beantworten, insbesondere wenn es darum geht, nicht einen Einzelfall zu beurteilen, sondern technische Prozesse zu implementieren, welche eine Auswertung von Aktivitäten der Mitarbeitenden zum Inhalt haben.
Interessant werden technische Möglichkeiten, die primär nicht auf eine Mitarbeiterüberwachung ausgelegt sind. Denn, misst eine Software Tastenanschläge, so scheint die Situation relativ offensichtlich. Denken Sie aber z.B. bei Tools fürs Flottenmanagement von Geschäftsfahrzeugen an Mitarbeiterüberwachung? Es handelt sich dabei um Tools, die grosse Einsparungen für ein Unternehmen mit sich bringen können, wenn die Fahrzeugbewirtschaftung vorausschauend gemanagt werden kann. Oder bringen Sie Office 365 mit Mitarbeiterüberwachung in Zusammenhang?
Bei Flottenmanagement-Tools werden viele Gegebenheiten eines Autos gemessen. Daten wie Kilometerstand, Benzinverbrauch etc. sind nicht personenbezogen und sind hinsichtlich Mitarbeiterüberwachung unproblematisch. Solche Tools zeichnen allerdings häufig auch konkrete Fahrten auf, d.h. genauer Zeitpunkt mit genauen GPS-Informationen sind nachvollziehbar. Ein Arbeitgeber muss aus verschiedenen Gründen wissen, wer welches Geschäftsfahrzeug fährt, bei an einzelnen Mitarbeitenden zugewiesenen Geschäftsfahrzeugen eine offensichtliche Gegebenheit. Sie erkennen, was mit diesen Informationen gemacht werden könnte.
Office 365 hat im 2020 wohl einen ebenso grossen Wachstumsschub erfahren wie andere Videokonferenztools. Digitalisierung ist DAS Schlagwort. Kennen Sie den „Productivity Score“? Mit dem Analyse-Tool wirbt Microsoft unter dem Titel „Workspace Analytics“ für die Beschleunigung der digitalen Transformation und mehr Produktivität. Ein Tool, das an einer Stelle einen durchgängigen Überblick verschafft und Einblicke, Benchmarks und Massnahmen enthält, die ergriffen werden können, um den Mitarbeitern im Unternehmen zu helfen, produktiver zu sein. Konkret: wer hat was, wann und in welchem Umfang oder mit welcher Dauer gemacht? Gemäss Microsoft: „Pretty exciting stuff“ (ziemlich aufregendes Zeug).
Als technologiebegeisterte Person möchte ich in keiner Weise mit juristischen Argumenten gegen die Digitalisierung halten. Vielmehr scheint mir eine ausgewogene Abschätzung zwischen Chancen und Risiken wichtig – und die nötige Transparenz. Der Transparenz halber sei deshalb auch erwähnt, dass Microsoft beim Productivity Score im Dezember 2020 kommunizierte, Anpassungen vorzunehmen, um dem Datenschutz besser gerecht zu werden.
Spracherkennungssoftwares werden heute mittels künstlicher Intelligenz geschult, u.a. menschliche Emotionen zu erkennen. Solche Tools können z.B. für die Erkennung eines Burnout-Risikos oder das Vorliegen von Mobbing eingesetzt werden. Ohne auf die Frage der Zulässigkeit eines solchen Einsatzes einzugehen – wäre ein solches Tool für Arbeitgeber nicht geradezu ideal, um deren Fürsorgepflicht den Mitarbeitenden gegenüber gerecht zu werden? Tracking- und Analysetools müssen nicht zwingend gegen das Wohlbefinden von Mitarbeitenden gerichtet sein.
Beim Einsatz von Tracking- und Analysetools muss der rechtliche Rahmen freilich eingehalten werden. Dieser ist allerdings nicht immer schwarz-weiss und wird nicht selten «gut genutzt». Graubereiche werden zu Weiss mit verschwindend kleinem Schwarzanteil. In Zeiten von unsicheren Arbeitsplätzen reduziert sich ein bisher ohnehin kaum da gewesener Widerstand seitens Mitarbeitenden.
In unserer Gesellschaft ist Trend, sich selber und den Alltag zu optimieren. Tracker haben Hochkonjunktur. Ist ein fehlender Widerstand gegen von Arbeitgebern eingesetzten Tracking- und Analysetools gar kein Widerstand? Sind wir vielmehr in gleichem Masse unseren Arbeitgebern gegenüber euphorisch was «Optimierung» anbelangt? Oder können allfällige Risiken und negativen Konsequenzen nicht immer umfassend abgeschätzt werden?
In welche Richtung die Entwicklung geht, wird erst die Zukunft zeigen. Neben vielen Gegebenheiten wie z.B. ethische Überlegungen bilden Gesetze einen Rahmen. Ob dabei die gegenüber heute strengeren Sanktionen mit dem revidierten Schweizer Datenschutzgesetz die Entwicklung prägen werden, wird sich ebenso in Zukunft zeigen.